| Input #4 / Public Access Redefined Von Peter Riegersperger 'Public Access' steht - als Schlagwort ebenso wie als
        Konzept zum Zugang zu Technologie - synonym für Demokratisierung, Emanzipation, aktive
        Rezeption. Public Access wird im Bereich der Medientechnologie mit
        Vorliebe immer dann ins Feld geführt, wenn man die Auswirkungen technologischen Wandels
        auf unsere Gesellschaft und die Möglichkeiten dieser, in diesen Wandel aktiv
        einzugreifen, thematisieren will. Interessant ist die uniforme Einigkeit bei der Forderung
        nach Public Access: Grosskonzerne, Content-Provider, Leitungs-Betreiber und freie
        non-profit Organisationen fordern gleichermassen - wenn auch aus unterschiedlichen
        Gründen - freien Zugang zu Medientechnologie. Public Access meint die Forderung nach einem allgemeinen
        Zugang zu Medientechnologie, unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, Wohnort oder
        sozialer Stellung. Dementsprechend muss Technologie, für die Public Access eingefordert
        wird, das Konzept des Universal Service (einer Dienstleistung für Alle) verfolgen.
        Typische Universal Services sind Rundfunk (sowohl Hörfunk als auch Fernsehen) und
        Festnetz-Telephonie. Durch die Forderung eines allgemeinen Zugangs leitet sich automatisch
        die Bedeutung einer Technologie für die Gesellschaft ab: Eine solche Technologie ist per
        Definition als meritorisches Gut anzusehen, das von der Gesellschaft bewusst in seiner
        Entwicklung zu fördern ist. In den letzten Jahren wurde der Begriff des Public Access
        in starkem Ausmass mit dem Internet und vergleichbaren Informations- und
        Kommunikationstechnologien (den digitalen Kommunikationsnetzen) verknüpft. Problematisch
        daran ist, dass die Forderung nach Public Access als grundsätzliches Statement zur
        Verfügbarkeit von Technologie die Art des Zugangs (und des Service) nicht näher
        beschreibt. Technologischer Wandel vollzieht sich mit rasender Geschwindigkeit. Services,
        die heute als State-of-the-Art betrachtet werden, sind morgen bereits veraltet und
        nutzlos. Fordert man nun Public Access zu eben diesen Technologien, kommt man nicht umhin,
        diese Forderung neu zu definieren und an neu entstehende Technologien anzupassen. In Anlehnung an das Konzept des Universal Service muss man
        fragen: Welcher Service eigentlich? Die IT-Branche boomt. Im Buhlen um die Aufmerksamkeit der
        Konsumenten verschenken Unternehmen mittlerweile nicht nur Anschlüsse, sondern ganze
        Computer mit dazu. Internet-Zugänge breiten sich mit rasender Geschwindigkeit in
        Österreich und ganz Westeuropa aus. Sprachtelefonieanbieter bieten Gratis-Zugänge an,
        Leitungs- Monopolisten verkaufen Breitband-Anschlüsse zu Kampfpreisen. Der Markt regelt sich - wie das in Wachstumsbranchen so
        üblich ist - von selbst. Public Access wird ohnehin durch die Unternehmen realisiert, der
        populistische Wunsch mancher Politiker nach einer e-Mail Adresse für jeden Österreicher
        ist im Zuge des rapiden Wachstums als obsolet zu betrachten, politische Einflussnahme ist
        für die Branche nicht schnell genug, die Gesellschaft muss in die Umsetzung des Public
        Access weder kontrollierend noch regulierend und schon gar nicht gestaltend eingreifen.
        Der Schlachtruf der Internet-Provider "Alle ans Internet!" verspricht eine
        vollvernetzte Zukunft. Oder? Kommen wir zur ursprünglichen Frage zurück: Welcher
        Service eigentlich? Man könnte der derzeitigen Entwicklung unterstellen, es
        würde sich hierbei um Public Access auf niedrigster Stufe handeln: Die Herstellung der
        blossen physikalischen Anbindung (in Form von Leitungen egal welcher Ausprägung) bildet
        zwar die Grundlage für den Zugang zu Technologie, aber eben nur die Grundlage. Ohne
        entsprechende Bildung und Kompetenz im Umgang mit Medientechnologie ist diese Art des
        Public Access zum Scheitern verurteilt: Was nützt mir ein Hochleistungs-Internetzugang,
        wenn ich nicht weiss, was ich damit anfangen soll? Wäre dies so, könnte man davon
        ausgehen, dass der bereits angesprochene 'Markt' diese Lücke schnell erkennen und Füllen
        würde. Aber das ist leider nicht Realität. In Wahrheit verfolgen die kommerziellen Zugangsanbieter,
        die sich das Ziel des Public Access auf ihre Fahnen geschrieben haben, ein fragwürdiges
        Konzept: Breitbandige Leitungsanbindungen für Privatpersonen sind asymmetrisch, d.h. die
        Leitung, die zum Konsumenten (und ich verwende dieses Wort bewusst an dieser Stelle)
        führt, ist um ein vielfaches dicker, als die Leitung, die der Benutzer (also der
        Konsument in seiner aktiven Rolle) zur Verfügung hat, um seine Informationen zu senden.
        Überspitzt könnte man formulieren: Das Netz kann ganze Werbekataloge zum Benutzer
        übertragen, dessen Interaktivitätspotential mit "kaufe ich" und "kaufe
        ich nicht" bereits ausgeschöpft ist. Gratis-Computer sind an Vertragslaufzeiten
        gebunden, die Nutzung von Gratis-Software an Werbeeinblendungen im Userinterface. Blickt man realistisch auf die derzeitige Befindlichkeit
        der Möglichkeiten der Technologienutzung im Internet, so gelangt man rasch zu der
        Erkenntnis dass niedrige Kosten (als Grundvoraussetzung für Public Access) nur dort
        vorzufinden sind, wo es vor allem um passive oder tendentiell passive Dienste geht: Der
        Zugang selbst (da er entweder asymmetrisch realisiert wird oder aufgrund oftmals
        absichtlich implementierter technischer Beschränkungen besser zur Rezeption geeignet
        ist), die mittlerweile obligate e-Mail Adresse (die Kommunikation nur im Kleinst- bzw.
        Kleinbereich ermöglicht) und natürlich der Zugang zum WWW, dem beliebtesten
        Internet-Dienst. Darüber hinausgehende Dienste wie z.B. Speicherplatz im
        WWW, Schulungen zur Vermittlung von Basis Know-how, Mailing Lists ... kurz, alle Dienste,
        die dem Nutzer erlauben würden, tatsächlich aus seiner Rezipienten-Rolle auszubrechen,
        sind entweder gar nicht oder nur zu durchaus stattlichen Preisen bzw. unerträglichen
        Rahmenbedingungen zugänglich. An eben diesem Punkt muss ein moderner Public
        Access-Begriff ansetzen: Public Access kann nicht nur den physikalischen Zugang zu
        Medientechnologie heissen. Public Access muss unter allen Umständen den
        gleichberechtigten, vollen und unbeschränkten Zugang zu Medientechnologie einfordern. Ein Public Access-Konzept, wie es in vielen (autonomen)
        Bereichen verfolgt wird und in dem der Rezeptions-Zugang eine zentrale Rolle spielt, muss
        dringend um einen aktiven Kommunikator-Aspekt erweitert werden. Public Access bedeutet
        nicht nur "öffentlicher Zugang", sondern auch öffentlicher Zugang zu
        Entwicklungsumgebungen, zu Experimental-Plattformen, zu Know-how und (und vor allem) zu
        Netzen, die frei von klassischen Marktverwertungsstrategien der Medienindustrie die
        Möglichkeit zum Experiment bieten. Das Experiment ist die Basis von Innovation.Der Zugang zu aktiven Technologien ist die Basis des Experiments.
 +) Peter Riegersperger: LINK+) Subnet / Plattform für Netzkultur
 
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